Mit dem deutschen Kunsthistoriker Fritz Nemitz

1974 bis heute

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"Ab der Mitte der 1970er-Jahre entwickelte Emil Kiess eine neue Farbensprache, die sich aus seinen früheren Farbexperimenten und der abstrakten Malerei der 50’er und 60’er Jahre speiste. Er setzte sich mit der Theorie und Technik des Divisionismus auseinander.“

 

„Ursprünglich bedingt durch die Freilichtmalerei der Impressionisten hellte sich nun auch bei Kiess die Farbpalette allgemein auf; er verbannte Schwarz, Braun und Grau weitgehend, wobei er auch vermischte Farbtöne nebeneinandersetzte. Mit der Auseinandersetzung mit dem Divisionismus ging zunächst die Hinwendung zur gegenständlichen Malerei und die Einführung landschaftlicher Anklänge in die Werke von Emil Kiess einher, dann wandte er sich jedoch wieder - ähnlich wie Monet von der figurativen, impressionistischen Malerei zu seinen geradezu abstrakten Seerosenbildern der letzten Jahre - zurück bis hin zur Auflösung des Landschaftsbildes in farbiger Fläche und Raum.“ 

 

Beide Zitate Mark R. Hesslinger aus: 

Emil Kiess - Die Wirklichkeit des Sichtbaren, Meersburg 2018, S. 1425 ff

 

 

„Farbmalerei, das heißt die den Farben innewohnenden Kräfte freisetzen, sie ihre Intensität, ihre Ausdehnung und ihre Bewegung finden lassen. Im Prozess des Malens legt der Maler diese Kräfte frei, er ordnet und entscheidet entsprechend der Wechselwirkung von Farben und Formen, wobei er keine Ambitionen haben darf, die außerhalb des Bildgeschehens liegen, er darf die Beziehung der Bildelemente nicht der Handlung eines vorgefassten Willens unterwerfen. Aus der fortschreitenden Entstehung des Bildorganismus heraus trifft er, oft selbst überrascht, seine Entscheidungen.  

  

Die Grunderfahrung mit einer Farbe weckt in uns eine ihr entsprechende Emotion, die wir dann unbewusst mit dieser Farbe verbinden. Charakteranlage, Wertvorstellungen, Erinnerungen und Befindlichkeit im Augenblick bestimmen darüber, welche Eigenschaften Farben zugeschrieben werden.“

  

Emil Kiess, Aufzeichnungen zum Phänomen Farbe, 

aus Emil Kiess, Die Wirklichkeit des Sichtbaren, Meersburg 2018, S. 123